Hormontherapie (ADT)

Was ist die Hormontherapie? Was passiert dabei?

Bei der Hormontherapie, die gemäß der englischen Bezeichnung häufig als “ADT” abgekürzt wird, nehmen Betroffene Medikamente, um ihren Testosteronspiegel zu senken bzw. ihren Androgen-Wert systematisch niedrig zu halten. Das Wachstum von Prostatazellen wird nämlich normalerweise von der Menge des Hormons Testosteron gesteuert. Und eigentlich könnte sie genauso gut Antihormontherapie heißen. Denn die Idee hinter der Hormontherapie ist:

Senkt man im Körper den Testosteronspiegel, können Prostatazellen und infolge auch die Prostata-Tumorzellen weniger schnell wachsen.

Bei Patienten mit einem Prostatatumor beschleunigt also im Normalfall das Androgen Testosteron dessen Wachstum. Um genau das zu verhindern, können sich Ärzt:in und Patient in gemeinsamer Absprache für eine Therapie entscheiden, bei der man durchgehend kontrolliert und beeinflusst, wie viel Testosteron im Körper ist. Für diesen Zweck gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Medikationsvarianten. Diese reichen von Tabletten sowie Nasensprays bis hin zu Injektionen und Implantaten. Dadurch unterdrückt man etwa das Signal im Gehirn, überhaupt Testosteron zu produzieren oder verhindert, dass es in die Zellen eindringen kann.

Welche Varianten der Hormontherapie gibt es?

Wir haben gelernt, dass wir bei der Hormontherapie das Testosteron im Körper eines Betroffenen reduzieren möchten. Auf welche Weise ist das also möglich?

Operativ

Die Orchiektomie

Die effektivste Möglichkeit, die Produktion des Hormons einzustellen, ist die sogenannte Orchiektomie, bei der die Hoden des Patienten entfernt werden. Dabei nimmt man dem Körper im Prinzip die Fabrik des Hormons. Das geschieht zwar weitestgehend schmerzfrei und lediglich unter lokaler Betäubung, ist allerdings eine irreversible Kastration, wodurch Betroffene auf Dauer die Fähigkeit verlieren, Kinder zu zeugen. Die Methode ist im Allgemeinen, je nach Alter und Lebenssituation, also eher unbeliebt.

Medikamentös

LHRH-Antagonisten

Man kann sich LHRH-Antagonisten in etwa wie Falschgeld vorstellen, das man in riesigen Mengen in ein funktionierendes Wirtschaftssystem schleust. Dein Körper versucht dann, bei den GnRH-Rezeptoren in unserem Gehirn Testosteron zu “kaufen”. Aufgrund des plötzlichen Währungsüberschusses wird die Produktion von Echtgeld eingestellt, während der Hypothalamus, wo dieser Kauf stattfindet, aber bei genauerer Kontrolle das Falschgeld bemerkt und ablehnt, wodurch das Hormon kaum noch erfolgreich gekauft werden kann. Ähnlich wie der österreichische Finanzminister braucht unser Körper dabei bis zu sechs Monate, ehe er auf solch ein Problem reagiert. Bis dahin schleust man einfach wieder neues Falschgeld ins System und wiederholt den Vorgang.

Eingenommen werden LHRH-Antagonisten in Form von Spritzen im Bereich des Unterbauches, des Po- oder Oberschenkel-Muskels.

LHRH-Agonisten

Dem Körper LHRH-Agonisten in Form von Injektionen, Implantaten oder Nasensprays zu geben, ist vergleichbar damit, eine Pflanze zu gießen. Unser Körper nutzt sie in erster Linie, um Testosteron zu produzieren. Wie du vielleicht bemerkst, ist das genau das Gegenteil dessen, was man eigentlich damit erreichen möchte. In den ersten Wochen nach Einnahme von LHRH-Agonisten steigt nämlich sogar unser Hormonspiegel. Das ändert sich allerdings rasch: Genauso wie man eine Pflanze zu häufig gießen kann, wirkt sich auch ein LHRH-Überschuss negativ auf die Testosteronproduktion aus. Ab einem gewissen Punkt nimmt unser Körper also kaum mehr Agonisten (das sind Moleküle im Körper, die die Produktion stimulieren) an und produziert kein Testosteron mehr.

Antiandrogene

Bei einer Behandlung mit Antiandrogenen, die meist in Form von Tabletten erfolgt, ist der Körper nach wie vor in der Lage, Testosteron zu “kaufen” und zu produzieren. Für die erfolgreiche Entfaltung des Hormons muss es aber logischerweise erstmals überhaupt in seine Zielregionen wie Prostatazellen gelangen. Der Vorgang klingt also so irrwitzig wie simpel: Nimmt ein Patient ein entsprechendes Medikament zu sich, blockieren die Antiandrogene ähnlich wie politisch engagierte Klimaprotestler die Straßen, die zur Ablagestelle des Testosterons führen. Dadurch kommen keine Androgene in der Zelle an und sie kann nicht weiter wachsen.

Abirateron, Enzalutamid, Apalutamid, Darolutamid und Co.

Es gibt noch eine Vielzahl weiterer Medikamente, die auf unterschiedlichste Weise die Produktion von Testosteron verhindern, indem sie molekulare Signalwege blockieren. Zum Beispiel manipuliert Abirateron, das ebenfalls als Tablette eingenommen wird, aktiv die Produktion von Androgenen. Konkret wird dabei das Enzym CYP17A1 davon abgehalten, seine Arbeit zu verrichten. Dadurch werden wichtige Schritte im Aufbau von Androgenen verhindert und die Menge an Testosteron im Blut sinkt.

Wie sieht eine Hormontherapie im Alltag von Prostatakrebs-Patienten aus?

Die Hormontherapie wird oft begleitend nach einer Prostatektomie oder zusätzlich zur Strahlentherapie verschrieben, kann aber auch als eigenständige Behandlung durchgeführt werden. Dabei unterscheidet man abseits der Prostatektomie zwischen der kontinuierlichen und der abwechselnden Variante der Methode, die sich im Prinzip lediglich darin unterscheiden, wie häufig Medikamente eingenommen werden müssen. Während man bei der kontinuierlichen Hormontherapie in regelmäßigen Abständen wie z.B. in 3-Monats-Intervallen das Medikament teils prophylaktisch zu sich nimmt, geschieht das bei der abwechselnden Variante immer erst reaktiv, wenn ein bestimmter PSA-Schwellenwert erreicht wird. In einer Befragung von 36 kanadischen Prostatakrebs-Patienten sprachen sich dabei 89% der Teilnehmer für die abwechselnde Variante aus. Sie scheint also deutlich beliebter, wohl auch deswegen, weil sie in der Regel eine seltenere Einnahme von Medikamenten erfordert.

Welche Nebenwirkungen gehen mit einer Hormontherapie einher?

Mit Ausnahme der Prostatektomie sind die Nebenwirkungen aller aufgezählten Varianten nur temporär, das heißt, sie verabschieden sich nach Beendigung der Therapie wieder. Zu rechnen ist mit Hitzewallungen, Müdigkeit, Brustempfindlichkeit, geringem Sexualtrieb, erektiler Dysfunktion (Potenzstörung), Osteoporose, Diabetes und Herz-Kreislauf-Problemen. Letzteres kann bei bereits bekannten Vorerkrankungen problematisch sein, da sie unter Umständen das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko deutlich erhöht. Grundsätzlich kann man also sagen, die Nebenwirkungen ähneln in ihren Symptomen sehr denen der Wechseljahre bei der Frau. Ein sehr zentrales Problem ist darüber hinaus, dass der Krebs langfristig eine Resistenz gegen die genannten Medikamente entwickeln kann, woraufhin dann auf eine andere Therapie umgestiegen werden muss.

Ob und in welcher Form eine Hormontherapie erfolgversprechend ist, entscheidet in jedem Fall Dein:e persönliche:r Ärzt:in gemeinsam mit Dir. Empfehlenswert ist im Behandlungsgespräch, nach den Nebenwirkungen spezifischer Medikamente zu fragen und Dir ein Verständnis darüber anzueignen, was in Deinem eigenen Körper während solch einer Therapie passiert und welchen Risiken Du dabei ausgesetzt bist.

Wichtig: Wir von PATIO sind darum bemüht, unsere Informationen zu prüfen und mit Expert:innen abzusichern. So erfolgte die Freigabe der Texte durch Dr. Melanie Hassler von der MedUni Wien. Dennoch dienen Artikel auf patiospots.com ausschließlich zur Informationsübermittlung und ersetzen kein Ärztinnengespräch. Jeder Prostatakrebs muss individuell betrachtet und ärztlich abgeklärt werden.


Quellen (zuletzt abgerufen am 24.4.2023):

Read 499 times| Last modified on Donnerstag, 08 Februar 2024 15:45
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